Trolle - zauberhafte Wesen aus dem hohen Norden


In grauer Vorzeit, als es noch keine Menschen gab, herrschten im hohen Norden die Trolle, Elfen und Zwerge. Der Name "Troll" kommt vom norwegischen "trylle", zaubern. Trolle sind entweder übermannsgroß, dann haben sie oft nur ein Auge, auf Ihrem Kopf wachsen Bäume und Gräser, wenn sie nicht sogar zwei oder drei Köpfe haben. Oft sind sie auch zwergenhaft klein, leben unter Baumwurzeln und stellen dem Wanderer ein Bein. Viele Namen in Skandinavien erinnern an die Trolle: Trollstiegen, Trollhättan, Trolltindene, Troldhaugen (bei Bergen). Trolle sind nur in der Dämmerung und in der Nacht aktiv, am liebsten im Wald. Wenn sie Sonnenlicht abbekommen, werden sie zu Stein oder sie zerplatzen mit einem lauten Knall. Als die Menschen in den Norden kamen, wurden sie immer weiter in unwirtliche Gegenden abgedrängt und ihre Macht schwand. Deshalb hassen sie alle Christen, essen Menschenfleisch und sind sich nur einig in ihrer Gier nach Gold und Silber. Trolle sind oft uralt und haben selbst vergessen, wie lange sie schon leben; wenn sie sich etwas zurufen, so kann es schon mal einhundert Jahre dauern, bis eine Antwort kommt.

Der wohl hinterlistigste Troll ist der Nøkk (sprich Nöck), ein Süßwassertroll, der in Seen, Teichen und Tümpeln lauert und Fischern das Boot umwirft und Angler an ihren Leinen in den See zieht, wenn sie nicht rechtzeitig loslassen. Oft verwandelt er sich in ein glänzendes Schmuckstück oder in ein weißes Pferd; wehe dem, der das Schmuckstück aus dem Wasser auflesen will oder dem Pferd ins Wasser folgt. Im Meer lebt der äußerst bösartige Draug (=
Sjøtroll), Schrecken aller Fischer und Widergänger derer, die in den Fluten ertrunken sind. Er kann fürchterlichen Sturm erzeugen, zerschlägt Boote und Schiffe und hat viele Fischersfrauen zur Witwe gemacht. Der Schrecklichste von allen ist der Skogtroll (Waldtroll), ein einäugiger, zotteliger Zyklop, der Bäume ausreißt und damit die erschlägt, die sich nach Einbruch der Dunkelheit in den Wald wagen. Einer weniger erschreckenden Sorte gehört der Fossegrimmen an, der unter Wasserfällen hockt und mit einem großen Stück blutigen Fleisches milde gestimmt werden kann. Demjenigen, der es ihm bringt, kann er meisterhaftes Fidelspielen lehren. Dann gibt es noch die Nisser, zwergenhaft und listenreich. Sie sorgen in Haus und Hof für Ordnung, wenn man ihnen kleine Gaben reicht, wie z.B. eine Schale Hafergrütze. Wehe dies passiert nicht, dann setzen sie einem den roten Hahn auf das Dach, verhexen das Vieh und verderben die Ernte. Wer sie einmal im Haus hat, wird sie nicht wieder los. Die einzigen weiblichen Trolle sind die Huldra(s), lieblich und goldblond anzusehen, aber immer mit einem Kuhhintern und einem Ringelschwanz ausgestattet. Sie locken Männer und Jünglinge in den Wald hinein und noch keiner ist lebend zurückgekehrt. Darum sollten alle weiblichen Reisegäste darauf achten, dass ihre Männer nicht nach Anbruch der Dunkelheit in den Wald gehen. Auch sollten sie nicht mißverstehen, wenn die Männer ihnen ab und an den Po tätscheln; man will sich schließlich versichern, daß es sich um die eigene Frau und nicht um eine Huldra handelt.

Woher kommen die Trolle? Nun, als der liebe Gott einmal unangemeldet bei Adam und Eva im Paradies zu Besuch erschien, hatte Eva noch nicht alle Kinder gewaschen und angezogen, und hat die ungewaschenen einfach in den Wald geschickt. Die erbosten Kinder sind einfach dort geblieben und haben mit den Waldgeistern, Elfen und Zwergen das Geschlecht der Trolle begründet. Eine etwas weniger märchenhafte Geschichte gibt an, daß man in früheren Jahrhunderten mißgebildete und geistig zurückgebliebene Dorfbewohner in den Wald trieb, wo sie dann zwangsläufig trollhaftes Aussehen annahmen.

Der wohl bekannteste und mit Abstand berühmteste Trollmaler Norwegens ist Theodor Kittelsen (1857-1914), der als Vater von neun Kindern, Schriftsteller und Märchenillustrator Zeit seines Lebens bittere Armut litt. Ihm verdanken wir die zauberhaftesten und phantasievollsten Trollaquarelle und -zeichnungen. Menschenscheu, wie er war, grantelte er über seine Malerkollegen, "von denen könne keiner einen richtigen Troll malen, schließlich habe im Gegensatz zu ihm nie einer auch nur einen Troll zu Gesicht bekommen". Nach seinem Tod wurde es für seine Witwe noch schlimmer; zu Spottpreisen mußte sie viele seiner Bilder verkaufen. Einige Jahre später waren sie ein Vermögen wert ... Im Herbst 1990 wurde das Aquarell "der weiße Bär König Valemon " in Oslo für 1,8 Millionen Kronen verkauft.

Zu guter Letzt noch ein paar Sätze über das Verhältnis der Norweger zu Trollen: Ein guter Freund von mir, Nordnorweger und Student der Wirtschaftswissenschaften kurz vor dem Examen, erzählte mir 1996 folgendes: "Weißt Du, Ronny, wir Norweger sind moderne Menschen und keiner glaubt heutzutage noch an die alten Ammenmärchen von Trollen.Damit erschrecken höchstens alte Opas ihre Enkel. Wenn wir aber so alleine bei Dämmerung durch den Wald gehen, so machen wir doch keine lauten Witze über sie, denn absolut sicher kann man sich schließlich auch nicht sein..."

© 2000, Ronny Nisz

Sjøtroll, 1887

Weitere Bilder von Theodor Kittelsen (1857-1914) finden Sie hier.


30.10.2000, Reiseleiter Ronny, Norwegen