Als Siedlungsplatz ist Ålesund relativ jung, im heutigen Stadtgebiet begann die Besiedelung ca. um 1500, erst 1848 wurde das Stadtrecht verliehen. Die Widerstände aus Bergen (Hansestadt) und Trondheim (ebenfalls Handelszentrum) waren lange Zeit zu stark.

Der Name leitet sich ab von dem Sund (= enger Meeresarm zwischen zwei Inseln) in dem viele Aale gefangen wurden. Die Stadt liegt auf sieben Inseln, die Innenstadt auf drei. Wirtschaftliche Bedeutung gewann Ålesund durch den Handel und die Verarbeitung von Fischen wie Dorsch, Makrele, Hering und die Walverarbeitung zu Tran. Rund um den Hafen gab es früher fast nur fischverarbeitende Betriebe, die viel nach Spanien und Italien exportierten. Zu jener Zeit wurde von dort Muttererde als Ballast eingeführt, die in der kargen Gegend gerne angenommen wurde. Als jedoch der Pastor damit einen Friedhof aufschütten ließ, verfügte einige strenggläubige Protestanten testamentarisch, nicht in dieser "katholischen" Erde begraben zu werden.

Heute hat u.a. die Lachszucht einen bedeutenden Stellenwert. Ålesund und die umgebende Region Sunnmøre ist mittlerweile ein Zentrum der norwegischen Holzmöbelproduktion, was die vielen Einrichtungsgeschäfte bezeugen.

Der große Stadtbrand von 1904 begann im Hafengebiet in einer Margarinefabrik, ausgelöst durch eine umgefallene Öllampe und wütete 18 Stunden. 10.000 Ålesunder wurden obdachlos, über 850 Häuser brannten ab. Glücklicherweise forderte die Katastrophe nur ein Todesopfer; eine alte Dame, die direkt neben einer Brandwache wohnte, fühlte sich zu sicher und weigerte sich, ihr Haus zu verlassen. Noch heute kommentieren die Ålesunder eine unglaubliche Begebenheit mit dem Ausspruch "So etwas ist ja seit dem großen Brand nicht mehr passiert ..."

Kaiser Wilhelm war ein großer Verehrer Norwegens und der Stadt Ålesund, ab 1880 besuchte er die Stadt regelmäßig mit seiner Yacht "Hohenzollern" und war mit dem damaligen Bürgermeister eng befreundet. Nach dem schrecklichen Brand ließ er mit eigenen Mitteln 4 Schiffe ausrüsten, die Hilfsgüter und Baumaterial nach Ålesund schafften. Nach dem Löschen der Ladung wurden die Schiffe von der obdachlosen Bevölkerung als Notunterkünfte genutzt.

Zum Zeichen der Verbundenheit mit Kaiser Wilhelm wurde Ihm zu Ehren die damalige Hauptstraße benannt (die Keiser Wilhelms gate) und im Stadtpark eine Büste von ihm aufgestellt. Beides blieb auch nach dem 2. Weltkrieg bestehen, als alles Deutsche in Norwegen herzlich unpopulär war und in Bergen z.B. die "tyske brygge" plötzlich nur noch "brygge" hieß.

Der Wiederaufbau der Stadthäuser wurde im wesentlichen von ca. 50 jungen Architekten geplant, die fast alle ihre Ausbildung im europäischen Ausland genossen hatten und dem Zeitgeist entsprechend die damals vorherrschende Richtung des Jugendstils wählten. Architektonisch einmalige Akzente setzten sie durch die Einbeziehung von Wikingerornamenten in den Jugendstil und die teilweise Verwendung von groben Natursteinen für die Fassaden. Bereits 1907 war die Neugestaltung der Innenstadt weitgehend abgeschlossen. Da die Bauvorschriften nach den Erfahrungen mit dem Stadtbrand Steinhäuser und Schieferdächer zwingend vorschrieben, entstand ein in seinem Stilmix einzigartiges Gebäudeensemble von ca. 450 Jugendstilhäusern in der norwegischen Variante des Jugendstils ("Drachenstil"). Da das Stadtbild seitdem nur wenig verändert wurde und die wenigen Neubauten sich meist stilharmonisch einpassen, besitzt Ålesund heute ein in seiner Art einmaliges Stadtbild, das in seiner Komplexität und Harmonie bestenfalls in Brüssel ähnlich angetroffen wird. Mit seiner Türmchen- und Erkerarchitektur erinnern viele Gebäude an romantische Schlösser wie z.B. Neuschwanstein, man könnte meinen, Walt Disney habe sich hier die Vorlagen für seine Zeichnungen von verwunschenen Burgen mit einer schlafenden Prinzessin gesucht.


Stadtspaziergang Ålesund


Kaum eine Stadt bietet sich so für einen geführten Stadtspaziergang an wie Ålesund, die Schönheit der Stadt würde sich bei einer Busrundfahrt kaum erschließen.

Man kann überall während der beschriebenen Route beginnen, zumal das Hotel "Noreg" am Ende der Fußgängerzone, das Scandic-Hotel am Molovegen und einige Hotels in der Apotekergata direkt am Weg liegen. Wir beginnen unseren Rundgang am Hurtigrutenanleger, es ist natürlich auch jeder andere Punkt möglich. Mit Stops, Erklärungen und einer auch an Fußkranke angepassten Rentnerge-schwindigkeit dauert das ganze ca. 1 1/2 bis 1 3/4 Stunden. Da wir durch die Fußgängerzone gehen und an einigen attraktiven Geschäften vorbeikommen, vorher anmerken, das jeder den Spaziergang unterwegs abbrechen kann, also nicht jedesmal durchgezählt wird. Schwundrate unterwegs bis zu 1/3 der Gäste.

Vor dem Hurigrutenschiff stehend, beginnen wir mit einer allgemeinen Erklärung über Ålesund, den Stadtbrand und die besondere Verbindung von Kaiser Wilhelm mit der Stadt. Wir gehen seewärts um das Ålesunder Hafenkontor herum, verweisen auf das schöne Hafenpanorama und stoppen vor der ehemaligen Fischauktionshalle (altes, altrosa Gebäude mit Aufschrift "Havefisk"), wo wir auf das historische Gebäude und die direkt am Wasser gelegene Haltestelle für Katamaranschiffe im Passagierlinendienst aufmerksam machen. Sehr schön zu sehen auch die Fjellstua auf dem Hausberg "Aksla". Die ehemalige Fischauktionshalle beherbergt heute eine gemütlich maritim eingerichtete Kneipe mit Restaurant und nebenan einen eher krawalligen iri-schen Pub. Ggf. einen späteren Besuch in der Kneipe ankündigen (wirklich nett) oder ggf. auf einen Besuch auf der Rückfahrt der Hurtigrute (Aufenthalt nordgehend von 23.45 - 00.45 Uhr) hinweisen. Bei Hotelaufenthalt in Ålesund für Schlafgestörte auf einen möglichen Besuch des Schiffes aufmerksam machen.

Sodann die Tollbugata hinein bis zur Fußgängerzone, wo wir vor den ersten Jugendstilhäusern stehen und diesen Baustil erklären, an einigen Häusern lassen sich auch Ornamente in Wikingertradition erkennen. Weiter in der Fußgängerzone Richtung Stadtmitte, das Eckhaus links zur Skaregata ist auch mit seiner Tür und Inneneinrichtung (Ladentheke) original erhalten, wenn die Schnitzereien auch grau übermalt sind. Bei der nächsten Querstraße links steht der Musikpavillon, heute noch genutzt, daneben Narvesen-Kiosk mit Dt. Presse. Ca. 20 m weiter, auf der linken Seite der Fußgängerzone, erkennen wir unschwer das schmalste Haus der Stadt (unten mit Geschäft), welches nur 2,8 m breit ist. Früher war hier ein Durchgang, die Wohnung des Inhabers im oberen Stockwerk ist nur über das Treppenhaus des Nachbarhauses erreichbar.

Weiter vor bis zur links abgehenden Lihaugate, rechts ein Bronzestandbild eines Zeitungsjungen, gestiftet von der Regionalzeitung "Sunnmøreposten" zum 150jährigen Bestehen, links schönes Eckhaus mit Erker und Türmchen. In die Lihaugate blickend sehen wir eine Bogentreppe, dahinter beginnt ein wenig später der Stadtpark mit seiner Büste von Kaiser Wilhelm und der Weg mit den 418 Stufen zum Aksla (nicht zu sehen), was wir uns und den Gästen aber ersparen, denn wir gehen weiter vor bis zum St. Olavs plass (über den heiligen Olav erzählen), dann den Platz entlang bis zu dem Haus aus grobbehauenen Marmorsteinen (selten in Norwegen!), einer ehemaligen Fischfabrik mit Götzenfratzen in der Fassade.

An der Ampel überqueren wir die Straße und machen gleich auf dem hier breiten Gehweg halt, um die schönen Speicher/Lagerhäuser auf der anderen Seite des Brosundet anzusehen und zu erklären. Gerade norddeutschen Gästen und Hansestädtern dürfte die Lagerhausarchitektur mit der Seilwinde unter dem Giebel und den breiten Ladeluken in den Stockwerken direkt darunter vertraut vorkommen. Auch die beiden weiß gestrichenen Neubauten auf der anderen Sundseite eher rechts fügen sich harmonisch in den Baustil ein.

Wir gehen weiter die Notensgate parallel zum Wasser entlang, für einige Meter gibt es nichts dolles zu sehen (wenn man von dem hässlichen Rathaus links absieht, das wegen seiner Farbe und Form von den Ålesundern auch verächtlich brauner Käse ("brunost") genannt wird. (Hinten am Rathaus Touristinformation). Weiter bis wir direkt vor der Sundbrücke hinter dem Kiosk stehen. Links blicken wir auf das Gebäude der Börse und des Arbeitervereins "Arbeidervoreningen" (Erbaut im Mischstil). Wir befinden uns im alten Zentrum der Stadt, zahlreiche Treppen gehen direkt ins Wasser. Rechts ist noch eine alte schwarze Seilwinde erhalten, mit der früher Fischkisten aus den Booten gehievt wurden. Auf der anderen Seite der Brücke erkennen wir unschwer die Schwanenapotheke, zum Wasser hin den ältesten Marktplatz der Stadt mit 2 Bronzeskulpturen, wo wir jetzt hingehen. Dort angekommen schönster Blick (und Fotopunkt) über den Sund hin Richtung Hafen mit vielen Booten und schönen Häusern.

Die erste Bronzeskulptur von 1967 zeigt einen Jungen, der zum ersten Mal mit auf Lofotfischfang darf und entsprechend ernst dreinblickt, stellt dies doch den Schritt vom Jüngling zum Manne dar. Mit der anderen Bronzeskulptur von 1992 hat man den Marktfrauen und Klippfischweibern ein Denkmal gesetzt, die hier auf dem Marktplatz verkauften.

Wir wenden uns der Landseite zu und gehen über die Straße zu der alten Schwanenapotheke von 1907. Eingangstür und Inneneinrichtung sind noch original von 1907 und einen Blick durch das Fenster wert. Schon vor dem Brand stand hier eine Apotheke, wegen der Explosionsgefahr wurden unmittelbar vor dem herannahenden Brand die Äthervorräte im Sund versenkt, was alle Fische dort narkotisierte.

Da wir jetzt den für Fußkranke vielleicht etwas beschwerlichen Weg zur Ålesunder Kirche antreten, lassen wir diese auf den Bänken am Marktplatz zurück und sammeln sie auf dem Rückweg in ca. 25 min wieder ein.

An der Schwanenapotheke vorbei gehen wir um die Ecke links in die Kirkegate, gegenüber das Gebäude der Heilsarmee, die Kirche hat hier eine starke puristische Ausrichtung und Abstinenzlerbewegung. In der Kirkegate einige schöne Häuser, sehenswert erst rechts das Gymnasium ("Ålesund vidergende skole") mit schönem Mosaik im Fenster (Eule über Buch als Symbol des Wissens), später links schönes Weintraubendekor an einer ehemaligen Weinhandlung.

Weiter die Anhöhe hinauf, bis links die Treppe zur Ålesunder Kirche kommt. Dort hinauf, alle Leute sammeln und nach hinten schauen, wo es wieder Holzhäuser gibt : Hier wurde der Stadtbrand gestoppt. Wir gehen um die Kirche herum bis zum Vordereingang, und wenn offen ist hinein. Es gibt ein kostenloses Informationsblatt über die Kirche in Deutsch. Wir sind am höchsten und entferntesten Teil unseres Spaziergangs angelangt.

Je nach Bedarf aus folgendem Textteil erklären:

Die Ålesunder Kirche

Auch die erste, 1855 eingeweihte Kirche konnte der großen Ålesunder Feuersbrunst nicht entgehen und brannte bis auf die Grundmauern nieder. Es gelang aber hier den Brand zu stoppen. Vom Hafen kommend spaziert man durch steinerne Jugendstilbauten bis zur Kirche auf einer Anhöhe, dahinter dominiert wieder Holzbebauung wie vor dem Stadtbrand. Das Gotteshaus wurde 1909 als eines der letzten Gebäude nach dem Brand im Rundbogenstil wieder aufgebaut, nicht zuletzt dank tat- und geldkräftiger Hilfe des großen Norwegenverehrers Kaiser Wilhelm II.

Die Fassade aus grob behauenen Natursteinen verleiht der Kirche ein besonderes, fast schlossartiges Aussehen. Im Inneren dominieren zahlreiche schöne Glasmalereien, die Ornamentik im Dach hinter der Orgel ist ein Geschenk von Wilhelm II und zeigt als Dank an den Kaiser den deutschen Adler und den heiligen Olav zusammen mit dem Stadtwappen von Ålesund. Auffällig ist auch das von der Decke herabhängende Modell des Segelschiffes "Thalatta", eine Spende des Kapitäns Alfred Viken und seiner Frau.

Kirchenarchitekt: Sverre Knudsen aus Biri, sein Motiv :"Ave Maria". Ca. 800 Plätze.
Altarbild aus Lindenholz von Nicolai Mejdell, 1909. Motiv: Jesus im Gebet im Garten von Gethsemane. Rechts schlafende Jünger, links Judas.
Taufstein aus ital. Carrera-Marmor v. Sverre Knudsen.
Freskomalereien im Chor 1918-1928 von Enevold Thømt, Motiv "immerwährende Predigt".
Glasmalerei hintere Wand: Jesus am Kreuz, links Vertreibung aus dem Paradies, rechts Aufnahme ins Paradies. Zentral der Baum des Lebens mit seinen zwölf verschiedenen Früchten.
Seitenwände im Chor: Links Christi Geburt, rechts Christi Himmelfahrt.
Chorgewölbe: Taube, "JAHVE" an der hinteren Wand über dem Kreuz.
Glasmalereinen in den Fenstern des Kirchenschiffes: Enevold Thømts, 1946. Motive: Erwerbsleben in Ålesund und biblische Szenen. Geschenk von Konsul A. Holm und Frau.
Kruzifix rechts der Kanzel: Atelier von Ambrosia Tønnessen, 1937 überreicht als Erinnerung an den Vater und Schiffsführer Abraham Tønnessen.
Orgel: 1945 neu mit 60 Stimmen aus der Orgelwerkstatt von Jørgensen, ebenso Ge-schenk von Konsul A. Holm und Frau wie Kronleuchter nach Entwurf von Kirchenar-chitekt.
Christusbild in Vorhalle, Glasmalereien in Türfüllungen und Sakristei: Kunstmaler Oddvar Straume und Glasmeister Ellingsen aus Ålesund.
Bild hintere Wand Sakristei: Jonas Peson.

Vom Haupteingang der Kirche gehen wir geradeaus die Øvregate bergab, auch hier einige schöne Häuser, bis wir unten angekommen an der Ecke zur Apothekergata halten und nach links Richtung Scandic-Hotel im Molovegen blicken. Der Architekt des wuchtigen Hauses mit seinen Ecktürmen hat sich offensichtlich von mittelalterlicher Architektur inspirieren lassen, wie sie z.B. Patrizier- und Kaufmannsbauten in süddeutschen Städten wie Regensburg, Nürnberg und Bamberg aufweisen. Witzig auch die schmiedeeisernen Ornamente in der Mitte des Hauses: Im Mittelalter wurden damit die Zwischendecken verankert, hier als reines Schmuckelement eingesetzt, um den gewünschten altertümlichen Effekt zu erzielen. Zur Bauzeit um 1905 waren solche eisernen Deckenanker absolut unnötig.

Wir biegen rechts in die Apothekergata ein, das blaue Haus auf der rechten Straßen-seite gilt. als eines der schönsten der Stadt. Vorbei an einigen Schiffsausrüstungsgeschäften (Schaufenster!) geht es zurück zum alten Marktplatz vor der Apotheke, wo wir die Fußkranken wieder einsammeln.

Nachdem wir die Brücke passiert haben, scharf links ans Wasser hinunter, wo es neben dem schwarzen Kran eine Schräge (ggf. Hilfestellung geben) auf Pontons hinunter geht. Wir gehen jetzt direkt am Wasser entlang, links liegen meist schöne Fischerboote und Yachten. Auf Höhe des hässlichen Rathauses links am Ufer eine Bronzeskulptur mit Möwen. Erinnert zum einen an den Vogelfelsen mitten in der Stadt, der für das Rathaus gesprengt wurde, zum anderen an die Möwenplage, als sich in früheren Zeiten noch alle fischverarbeitenden Betriebe im Zentrum befanden. Nach einigen dutzend Metern verlassen wir die Pontons und laufen direkt am Wasser, parallel zur Skansegate, wo am Ende im Sommer oft Krabbenfischerboote liegen und frisch gekochte Eismeerkrabben anbieten. Der Norweger futtert sie direkt aus der Zeitungspapiertüte und schmeißt die Reste auf den Gehweg.

Als letzten Punkt unseres Spaziergangs steuern wir links die Ausbuchtung am Kai "Skateflukaia" mit der Bronzemonument an. Es erinnert an die 3.300 Norweger, die während des 2. Weltkrieges in oft abenteuerlich kleinen Fischerbooten Richtung England und die Shetland-Inseln flohen, aber auch an die 320, die dabei umkamen. Bei günstigen Winden konnte man in 24 Stunden auf den Shetland-Inseln sein.

Hier endet unserer Spaziergang. Wir verabschieden die Gäste, ggf. laden bei gutem Wetter die Bänke hier zum Verweilen ein.


© 2000, Ronny Nisz

Stadtplan von Ålesund  


15.11.2000, Reiseleiter Ronny, Norwegen